Der große und der klein Schritt 1984-1990
“…Die Fotos der Serie »Der große und der kleine Schritt« haben symbolischen Charakter. Es sind Analogien für etwas Erstarrtes, das sich auflöst. Unsichtbar schwingt der erstarrte Geist mit. Durch Zubunkern ist er zur Unbeweglichkeit verurteilt und führt zum Tod. Tod und Wiedergeburt als ewige Zyklen der Erneuerung. Wir zerstören uns, um wie Phönix aus der Asche neu zu entstehen … Fleisch steht im Mittelpunkt der Serie und seine Abgründe. Der Mensch als verletzter, geschundener, geschlagener Mensch.. Die Verletzung ist allerorten. Die Frau mit der Zangengeburt gleicht den Tieren im Schlachthof. Sie gleicht einer modernen Kreuzigungsszene. Ebenso das Baby im Röntgensaal… Das existentielle Erleben von symptomatischen Situationen des Lebens macht den Charakter der Serie »Der große und der kleine Schritt« aus. In existentiellen Situationen macht jeder Einzelne durch, was er im tieferen Sinn eigentlich ist. In diesen Momenten ist der Mensch mit sich allein. Er ist allein bei der Operation. er ist allein bei der Geburt. er ist allein beim Tod. Niemand geht mit ihm. Er muss diese Wege allein gehen. Er würde dem Irrsinn verfallen, wäre da nicht ein Ausweg, eine Rettung. Es ist der Weg ins eigene Ich, der Weg zu sich selbst. Der Weg dahin ist bei jedem anders.”
Diese Serie wurde 1992 im MOMA ausgestellt – im Rahmen der Ausstellung „new photography 8“ und ich bekam den Photopreis: »The 12th Prize for Overseas Photographers of Higashikawa Photo Fiesta ’96«, Japan, für diese Serie.
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Kunst-Werke Berlin
10. Juni bis 2. August 1992
Die Ausstellung “Getrennte Welten” zeigte 1992 in den Kunst-Werken Berlin Fotos der amerikanischen Fotografin Nan Goldin und der in der DDR aufgewachsenen Fotografin Gundula Schulze. Sie wurde im Rahmen der Veranstaltungsreihe Mauer im Kopf durch die Kooperation der STIFTUNG NEUE KULTUR und der Kunst-Werke Berlin realisiert. Trotz erkennbarer Unterschiede in den verschiedenen Werkgruppen ist beiden Fotografinnen gemeinsam, dass sie intime Szenen und konkrete Seiten der Einsamkeit des Menschen schonungslos zeigen.
„Gänzlich entnervt durch Klaus Biesenbachs fast substanzlose Staatsaktion „37 Räume“ hätte ich die in seinen „Kunst-Werken“parallellaufende fotografische Ausstellung „Getrennte Welten“ mit Gundula Schulze Eldowy und Nan Goldin fast ausgelassen, gänzlich zu Unrecht, es ist vielleicht die Ausstellung des Sommers. In der Sammlung Domröses vermisst, hier ist es zu sehen, die phantastische Fotografie Gundula Schulze Eldowys von einer Geburt; „Fleischwerdung“, möchte man sagen, Dresden 1987. Schulze Eldowy hat sich mit der in der DDR so beliebten Milieufotografie nicht weiter aufhalten mögen und ist hurtig fortgeschritten zum großen Thema des Fleisches (Pontormo, Bacon…), in dem Menschen und Tiere zusammenfinden, in den Ähnlichkeiten der „Vorgänge“, wie es jetzt wohl heißt.“ Der Tagesspiegel, 1992, Ulf Erdmann Ziegler
Im betäubenden Geschrei der Feindbilder
01.10.2021. “Ich drang in die Eingeweide der Stadt vor und fotografierte sie,” sagt sie selbst. Gundula SchulzeEldowy ist die künstlerisch bedeutendste Fotografin (m/w/d) der ehemaligen DDR und eine der bedeutendsten Fotografinnen nach 1945 überhaupt. Einige Bilder würde man auf den ersten Blick eher in derZwischenkriegszeit ansiedeln, in der Nähe von Döblins “Berlin Alexanderplatz”, nicht in der propagandistischenUtopie des realen Sozialismus der siebziger und achtziger Jahre. Unverständlich, warum sich die Kuratorennicht um sie reißen.